5 Gründe, warum ich alles vergesse, was ich lese – und was ich dagegen mache

Oft vergesse ich ein Buch, sobald ich es gelesen haben. Diese fünf Fehler während der Lektüre sind daran Schuld. Wer sie vermeidet, behält mehr von dem, was er liest.

Gerade lese ich „Pnin“ von Vladimir Nabokov wieder. Den Roman habe ich vor zwei Jahren schon einmal für ein Seminar an der Uni gelesen.

Ich bin überzeugt davon, dass ich davon damals nur die ersten zwanzig Seiten gelesen hätte – wie es sich als guter Student gehört.

Ich kann mich nur noch vage an die Figur Pnin erinnern, und an die vielen Eichhörnchen, die immer wieder durch die Szenen huschen.

Tatsächlich muss ich das Buch aber mindestens bis zur Hälfte genau und ab dann quer gelesen haben. Denn Notizen finde ich auf allen Seiten meines Exemplars.

Warum kann ich mich an „Pnin“ nicht mehr erinnern?

Hier sind fünf Fehler, die ich bei meiner „Pnin“-Lektüre gemacht habe. Und fünf Ratschläge, die nicht nur mir, sondern auch hoffentlich dir helfen, damit du dir Gelesenes besser merken kannst.

1) Ich habe mir nichtssagende Notizen gemacht

wie nabokov liest1 (2)Überall in „Pnin“ findet sich mein Gekritzel. Sonderlich effektiv können meine Anstreichungen aber nicht gewesen sein.

Jetzt sagen sie mir meist eher wenig.

Wie sollte ein einsamer Kringel um ein einzelnes Wort aber auch besonders viel aussagen.

Über was ich mich aber freue, sind richtige Notizen; ein paar Wörter oder ein kleiner Satz, an die Seite gedrückt. Da muss ich mir etwas gedacht haben. Etwas, das so wichtig war, dass ich es festhalten wollte.

Aus diesem Grund lautet das erste Prinzip, um sich besser an das Gelesene zu erinnern:

Notizen machen, die etwas aussagen – auch fünf Jahre, nachdem man das Buch gelesen hat.

Wie macht man sich solche hilfreichen Notizen?

Notizen machen ist ja eine Wissenschaft für sich.

Nabokov selbst liebte es, in seinen gelesenen Büchern rumzukritzeln wie ein Irrer – wie ich in diesem Artikel von mir schon erzählt habe.

Folgendes System hat sich für meine Notizen als bewährt herausgestellt:

      • Keine Textmarker. Die Basisausrüstung eines jeden Schülers/Studenten (oft die ganze Farbpalette durch) ist das ineffektivste Mittel, Wichtiges in einem Text zu markieren. Einen Text mit Farbe voll zu kleistern, hilft weder, wichtige Stellen hervorzuheben, noch die Gedanken aufzuschreiben, die du zu dieser Stelle hast. Besser ist da schon:
      • Eselsohren knicken. Für Buchliebhaber eine Todsünde, für mich unabdingbar: Die Seite umknicken, auf der etwas Wichtiges geschieht. Der schnellste Weg, etwas zu markieren, und der schnellste Weg, etwas in einem Buch wieder zu finden.
      • Mit einem (Blei-)Stift markieren und anmerken. Nach der brachialen Methode zuvor ist das die raffiniertere Version, wichtige Stellen zu markieren. Gut funktioniert hier für mich folgendes System:
          • Schöne Sätze, gute Metaphern, wichtige Wörter werden umkreist
          • Wichtige Passagen mit einem Strich am Rand versehen
          • Wichtigere Passagen (sofort oder beim Wiederlesen) mit einem zweiten Strich
          • Alle Gedanken, die mir zu den obigen Markierungen kommen, werden an den Rand gekritzelt

Ohne echte Anmerkungen ist jeder inspirierte Gedanke sofort wieder vergessen. Daher gilt: schnellstens Aufschreiben!

Wenn du sehen willst, wie professionelle Leser sich Notizen machen, empfehle ich die Interview-Reihe „Wie liest du?“ auf 54books. Hier erzählen Blogger und Journalisten, wie sie sich Anstreichungen machen.

Welches System befolgst du für Notizen? Schreib es mir am Ende des Artikels in einem Kommentar.

2) Ich habe keine Pausen während der Lektüre gemacht

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Der Idealzustand für viele von uns ist, ein Buch am Stück oder in großen Stücken ohne Pause zu verschlingen.

Warum das bei manchen Büchern auch für das Gedächtnis günstig sein kann, verrate ich dir am Ende.

Bei einem Buch, bei dem wir uns zu diesem Verschling-Verhalten zwingen müssten, ist es aber förderlich…

während des Lesens immer wieder kleine Pausen zu machen.

In den Pausen sollten wir uns noch einmal vor Augen rufen, was wir gelesen haben: Was ist passiert? Welche Szene wird wichtig sein? Was war besonders interessant?

Dieser Trick hilft, das Gelesene vom Kurzzeitgedächtnis eine Ebene tiefer ins Langzeitgedächtnis rutschen zu lassen.

In diesem Video wird der Trick erklärt:

Tatsächlich funktioniert dieser Trick bei meinem zweiten Durchgang von „Pnin“ sehr gut. An wichtige Episoden konnte ich mich auch am nächsten Tag noch erinnern.

Die fünfminütigen Pausen haben sich dabei mehr oder weniger von selbst ergeben: Wenn ein Kapitel zu Ende ist; wenn ich etwas Großartiges, Schreckliches, Aufrüttelndes gelesen habe.

3) Ich habe mit niemandem darüber geredet

gelesenes besser merken3Aus der Schule kenne ich noch den Tipp, dass man einem Mitschüler den Lernstoff erklären soll, um ihn wirklich im Gedächtnis zu verankern.

Und auch bei gelesenen Büchern kann ich mich meist an diejenigen Bücher erinnern, über die ich mich mit jemand anderem unterhalten habe.

Bei „Pnin“ muss ich im Seminar entweder physisch und mental abwesend gewesen sein. Ansonsten müsste ich ja noch mehr behalten haben. 😉

Ein echtes Gespräch über den Roman ersetzt jetzt das Schreiben hier. Das allein hilft schon: Sich nach dem Lesen noch einmal mit dem Gelesenen beschäftigen.

Dementsprechend lautet der nächste Tipp:

Sich mit Jemandem über das Buch unterhalten.

Sei es, mit sich selbst in einem Lektürejournal. Sei es, in einem Blog durch die Kommentarfunktion. Sei es mit Freunden oder in einem Buchclub.

4) Ich habe den Roman nur einmal gelesen

book-1322789_1280Um zu wissen, was in einem Buch steht, ist die beste Option selbstverständlich, es zu lesen.

Und wenn man das Buch zwar schon einmal gelesen, aber den Inhalt wieder vergessen hat, frischt ein zweiter Lektüredurchgang das Wissen wieder auf.

Noch besser wäre – aber mal ehrlich: wer hat dazu Zeit? –, das Buch sofort nach Beendigung noch einmal zu lesen. Da wäre Meister Nabokov auch dafür.

Für das Gedächtnis gibt es keine bessere Technik, als immer und immer wieder zu wiederholen, was sich darin halten soll.

Wem die Zeit für die komplette Wieder-Lektüre fehlt (und das ist leider auch bei mir meistens der Fall), kann sich an folgenden Ratschlag halten:

Nach dem Ende der Lektüre lese ich noch einmal all die Passagen, die ich mir mit Bleistift markiert habe, oder die Seiten, in die ich ein Eselsohr geknickt habe.

Das sollte reichen, mir noch einmal die wichtigsten Ereignisse im Roman ins Gedächtnis zu rufen.

Der vorletzte Tipp heißt also:

Das Buch noch einmal ganz oder in Ausschnitten lesen.

5) Es war das falsche Buch für mich

gelesenes besser merken5Natürlich wollte ich „Pnin“ schon vor zwei Jahren lesen. Ich hatte zuvor schon „Lolita“ begeistert gelesen – und habe mich daher auf die Lektüre gefreut.

Allerdings war das Seminar zu Nabokov nicht wirklich spannend. Und vieles andere in meinem Leben war eben auch spannender als dieses Seminar.

Daher war meine „Pnin“-Lektüre alles andere als ideal.

Im Idealfall sähe jede Lektüre doch so aus: Ich verschlinge das Buch. Während ich lese, bin ich nie abgelenkt, sondern immer 100% auf den Text fokussiert. Hinterher kann ich mich an alles erinnern.

Für „Pnin“ ist das leider nicht der Fall.

Die Lektüre war meistens quälend, immer anstrengend, und in meinem Gedächtnis ist nur wenig davon übrig geblieben.

Warum?

Den Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation kennen wohl die meisten. Wenn ich ein Buch nicht lesen muss, sondern lesen will, fällt es mir leichter, mich zur Lektüre zu motivieren und das Gelesene zu behalten.

Ich lehne mich jetzt etwas aus dem Fenster und werfe noch einen neurologischen Begriff hinzu: Ich kann mich besser konzentrieren und mehr behalten bei Büchern, die ich von selbst lesen will, wegen dem sogenannten retikulären Aktivierungssystem.

Die Idee dahinter ist ganz einfach: Dieses System filtert alle Reize aus der Wahrnehmung heruas, die als nicht wichtig eingestuft werden.

Schön veranschaulicht (und einfach zu verstehen) in diesem Video:

Wenn ich also in einem Buch lese, das wichtig für mich erscheint, vergesse ich die tobende Kinderhorde am Tisch neben mir.

Für „Pnin“ aber hatte ich dieses System gegen mich. Es schien mir damals einfach nicht wichtig genug.

Daher lautet der letzte Rat:

Lies nur, was dir wichtig erscheint.

Leider können wir nicht immer selbst bestimmen, was wir lesen wollen. In diesem Fall hilft es, vor der erzwungenen Lektüre sich folgende Fragen zu stellen:

          • Was will ich in diesem Buch erfahren?
          • Warum ist das wichtig für mich?
          • Welchen Gewinn habe ich persönlich davon?

Die Lektüre wird einfacher, wenn man sich klar macht, dass sie hilft, eine bessere Note zu bekommen oder etwas Wichtiges zu lernen.

Jetzt, wo ich „Pnin“ wieder lese, fällt es mir manchmal auch schwer, mich zu konzentrieren. Allerdings denke ich dann immer an den unfassbar guten Nabokov-Artikel, den ich einmal in naher Zukunft schreiben möchte 😉 Und dafür muss ich aufmerksam sein und keinen Satz und kein Eichhörnchen verpassen.

Wie du dir Gelesenes besser merken kannst

Hier noch einmal die fünf Ratschläge, um mehr von deiner Lektüre zu behalten:

            • Notizen machen, die etwas aussagen.
            • Während des Lesens alle fünf Minuten Pausen machen.
            • Sich mit Jemandem über das Buch unterhalten.
            • Das Buch noch einmal ganz oder in Ausschnitten lesen.
            • Nur lesen, was einem wichtig erscheint.

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Ein Gedanke zu „5 Gründe, warum ich alles vergesse, was ich lese – und was ich dagegen mache“

  1. Hallo Leo,

    der Artikel war sehr lehrreich. Ich lese, wenn ich aktiv lese, mit Bleistift (Zusammenfassung oder Kurzüberschrift am Rand + Unterstreichungen relevanter Details). Seit eigiger Zeit notiere ich auch interessante Aussagen in ein Zitate-Buch. Mein Problem ist freilich, dies immer durchzuhalten. Weil ich mir außerdem im Laufe der Jahre viel zu viele Bücher zugelegt habe, und endlich die Menge der Bücher reduzieren will/muss, lese ich manche Bücher einmal durch und gebe sie (so sie mir nicht mehr wichtig erscheinen) weg. Ein volles Buchregal kann ganz schön lähmend wirken.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Günter Lipfert

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